Bedeutet Führung „Motiviere mich und bereite mir ein schönes Arbeitsumfeld?“
In meiner Zusammenarbeit mit Unternehmen stoße ich oft auf ein Verständnis von Arbeit und Führung, das es lohnt, einmal gründlich hinterfragt zu werden.
Es gab einmal eine Zeit, da hieß Arbeit „Broterwerb“. Man arbeitete, um davon die notwendigen Dinge des Lebens bezahlen zu können. Es fehlte an sozialen Sicherungssystemen, wie wir sie heute haben. Aus Erzählungen meiner Mutter, die immer liebend gern zur Arbeit ging, erfuhr ich, dass man bei der Arbeit mit interessanten Menschen zusammenzukommt, etwas lernt und etwas zum Leben aller beitragen kann. Schon Marx war der Ansicht, dass arbeiten an sich etwas Sinnvolles ist, das mich zu einem nützlichen Teil der Gesellschaft macht. Wer nicht arbeitet, wird krank an Leib und Seele.
Warum reicht es uns heute nicht mehr, eine Arbeit zu haben, die uns ernährt und mit der wir einen, wie auch immer gearteten Beitrag, zum Leben aller leisten? Häufig höre ich, dass der Sinn der Arbeit verloren gegangen ist und man sich nun auf die Suche danach begibt. Vielleicht ist es wirklich einmal leichter gewesen, in oft existentiell nützlichen Arbeiten einen Sinn zu finden, als das heute der Fall ist. Oft erarbeitet der Einzelne einen sehr speziellen Teil am Gesamtprodukt und verliert dadurch den Blick aufs große Ganze. Vielleicht reicht es nicht mehr, einfach Geld zu verdienen, um sich etwas leisten zu können, weil wir schon alles haben? Vielleicht sind viele nicht so scharf darauf, täglich etwas Neues zu lernen, sondern würden gern mit dem auskommen, was sie bereits können?
Arbeiten wird heute darüber hinaus sehr viel mit Wohlbefinden in Verbindung gebracht. Die Mitarbeiter wünschen sich einen Arbeitgeber, der ihnen das Leben schön macht. Sie möchten eine Führungskraft, die auf sie eingeht, sie täglich motiviert, ihnen sinnvolle Aufgaben gibt, ihre Leistung anerkennt und sie lobt. Gegenfrage: Wer tut all das für die Führungskraft, die auch „nur“ ein Mensch ist? Und wer ist heute noch bereit, auch die Mühen der Ebene mit den Kollegen gemeinsam zu bewältigen, wenn es einmal schwierig wird?
Arbeit bedeutet für mich: Ich mache mich nützlich, ich lerne, ich kommuniziere, ich entwickele mich, ich trage zu etwas Größerem bei, ich habe einen Grund, am Morgen aufzustehen. Das Leben ohne Arbeit wäre sinnlos und langweilig. Den ganzen Tag entspannen, Urlaub oder Sport? Selbst wer bisher nicht den tollen Job ergattert hat, den sie oder er gerne gehabt hätte - man kann ja weitermachen und danach streben.
Warum ist es die Aufgabe eines anderen, mich zu motivieren, mich zu schätzen, mir den Tag zu verschönern? Wenn die Führungskraft „nur“ ein Mensch ist, wird ihr das nicht immer gelingen. „Du motivierst mich nicht genug? Na gut, dann arbeite ich eben heute nicht so gut.“ Indem wir die Verantwortung für unser Wohlbefinden auf andere abladen, geben wir sie für uns selbst ab. Die anderen sind schuld, wenn etwas nicht klappt.
Ist es nicht viel mehr unsere eigene Aufgabe, uns am Morgen dafür zu entscheiden, aus dem Tag einen guten Tag zu machen? Können wir auch selbst den Wert unserer Arbeit schätzen und uns dafür auf die Schulter klopfen? Können wir damit beginnen, gegenüber anderen wertschätzend und anerkennend zu sein? Können wir es ändern oder ansprechen, wenn um uns herum etwas geschieht, das nicht unsere Vorstellungen erfüllt? Können wir die Verantwortung als erwachsene Menschen selbst übernehmen?
Niemand außer mir ist dafür verantwortlich, wie ich mich fühle, dafür, was ich am Tag schaffe, wie motiviert ich bin, welchen Beitrag ich leiste, welchen Sinn ich finde. Es ist eine bewusste Entscheidung, wie es mir geht. Unter allen denkbaren Umständen bin ich am Drücker. Für die Arbeit in einem Team brauchen wir sicher einige Regeln, weil es für bestimmte Dinge und Verhaltensweisen unterschiedliche Auffassungen gibt. Im Rahmen dieser Regeln kann sich jeder Mensch, ob Führungskraft oder Mitarbeiter entspannt und effektiv bewegen. So liegt es an jedem einzelnen und allen zusammen, ob Arbeit Spaß macht und erfüllend ist oder nicht.
Buchtipp: Reinhard K. Sprenger „Die Entscheidung liegt bei dir“
Die neuen Abläufe sind in den letzten Monaten schnell normal geworden. Einstige Skeptiker gegenüber Arbeit von Zuhause haben ihre Meinung geändert. Bei Home Office als langfristige Option geht es aber um mehr als rein technische oder organisatorische Fragen, nämlich: Wie verändern Home Office und mobiles Arbeiten unsere Unternehmenskultur?
Diese Frage stellten sich UnternehmerInnen in einem meiner TAB-Boards im August beim Boardmeeting in Dresden. Denn, wie wir das Thema „Mobiles Arbeiten“ in den einzelnen Unternehmen organisieren, darüber wird schon viel gesprochen. Wem vertrauen wir so weit, dass wir ihr oder ihm Home Office erlauben? Für welche Arten von Arbeit ist es denkbar? Welche Fragen bewegen uns im Bezug auf Datenschutz dabei? Über all das denken wir nach - auch darüber, wie die Arbeitsplätze zu Hause aussehen müssen, damit das Home Office funktioniert.
Welche Weichen müssen jetzt gestellt werden?
Was uns nun im Meeting bewegt hat, ist die Frage: Wie verändert sich langfristig unsere Unternehmenskultur, wenn Home Office als Option bestehen bleibt? Denn das ist heute bereits abzusehen. Oder besser noch: Wie müssen wir unsere Unternehmenskultur anpassen und verändern, damit sie das Arbeiten an einem anderen Ort als dem Unternehmen einbezieht? Welche Weichen müssen wir dafür jetzt stellen, wenn wir Fehler oder den Verlust von Kultur und damit der Bindung der MitarbeiterInnen an unser Unternehmen vermeiden wollen?
Pro’s und Con’s zu Home Office
Es gibt eine Menge Pluspunkte, die für Home Office sprechen. Beim näheren Hinsehen entpuppen sie sich auch als Risiken oder zumindest wichtige Punkte, die unsere Aufmerksamkeit erfordern. Einige Beispiele:
Wir können uns den Arbeitsweg sparen.
Wir werden nicht so oft in unserer Arbeit gestört oder unterbrochen und können uns besser konzentrieren.
Unternehmen müssen weniger Arbeitsplätze bereitstellen. Jeder nutzt einfach ab und zu den Schreibtisch für alle und einen Firmenlaptop.
Vertrieb oder Meetings funktionieren auch digital sehr gut. Sie laufen sogar wesentlich strukturierter und zeitsparend ab. Vertriebler z. B. verbringen viel weniger Zeit auf Autobahnen, in Flugzeugen und Hotels.
Wir könnten noch viele Punkte aufzählen, die Home Office attraktiv machen. Die negativen Seiten bleiben. Und diese geben uns Aufschluss darüber, welche Maßnahmen wir ergreifen können, um einen Schaden in der Unternehmenskultur zu verhindern.
Unternehmenskultur mit den neuen Bedingungen abgleichen
Einer der Wege, die zum Ziel führen können: Die bisherige Unternehmenskultur einmal hernehmen, alle Säulen und Einzelmaßnahmen betrachten und mit den neuen Bedingungen abgleichen.
EIgene Einstellung zu Home Office auf den Prüfstand stellen
Bevor die Kultur Schiffbruch erleidet, ist es sinnvoll, sich diese Fragen zu stellen. Und: Home Office und mobiles Arbeiten an sich bleibt mit Sicherheit immer ein Pluspunkt. Wenn ich einmal nicht zur Arbeit gehen kann - aus welchen Gründen auch immer - und kann dann unkompliziert von zu Hause oder von irgendwo auf diesem Planeten arbeiten, werde ich die Möglichkeit von Home Office und den dazugehörigen Arbeitgeber unbedingt zu schätzen wissen. Das war unser Mindset vor Corona, und das kann es auch für die Zukunft bleiben.
Bild: Scrum - Rugby Gedränge
Von Anne Pietag
TAB-Moderatorin, Team-Coach, A.C.T.-Trainerin nach Birkenbihl
Als hochbegabtes Kind hatte Vera F. Birkenbihl negative Erfahrungen mit dem Lernen in deutschen Schulen gemacht. Pauken und auswendig lernen haben auch bei ihr nicht funktioniert. Schon als Jugendliche begann sie ihre Feldforschungen. Wie ist es möglich, einfacher und „gehirn-gerecht“ zu lernen, zu lehren und zu arbeiten? Wie können die Potentiale der Menschen bestmöglich genutzt werden? Als Gründerin und Leiterin des „Instituts für gehirn-gerechtes Arbeiten“ hat sie ihre Erkenntnisse weitergegeben. Aus ihrer Sicht kann jeder klug werden. Die Frage ist nur, wie die Informationen in den Kopf gelangen. Mit Blick auf unsere Gesellschaft, auf die brachliegenden Fähigkeiten vieler Menschen, die niemand zu entdecken versteht, hat diese Frage eine enorme Bedeutung.
Gleichzeitig werden diese unentdeckten Potentiale immer dringender in der modernen Arbeitswelt gebraucht? In Zeiten, wo Maschinen dem Menschen die einfachen Arbeiten abgenommen haben, bleiben seine größten Herausforderungen im Berufsleben Denk- und Kommunikationsleistungen. Kreativität, Innovation, Teamarbeit und Kommunikation mit direkten und technischen Mitteln bestimmen den Arbeitsalltag heute. Für diejenigen, die das Pauken theoretischer Fakten nicht oder nur zu verfluchen gelernt haben, wird es damit enger auf dem Arbeitsmarkt. Handwerkliches oder technisches Geschick reichen nicht mehr aus, um erfolgreich zu sein.
Wieso ist es so schwer, Menschen dazu zu bewegen, ihre Ideen in den Arbeitsprozess einzubringen, eigenverantwortlich zu arbeiten und Fehler zuzulassen, um daraus zu lernen?
Kreativität und Innovationsfreude hängen unmittelbar zusammen. Aus meiner Arbeit mit UnternehmerInnen weiß ich, wie bedeutend die Innovationskraft eines Unternehmens heute für seine Stellung im Wettbewerb ist. Bei einer Schulbildung, die vor allem auf Regeln und Konformität setzt und wenig Freiraum für Kreativität lässt, sind die Arbeitnehmer schlecht auf ihre wichtigste Herausforderung vorbereitet. Es ist an der Unternehmensleitung und ihren Führungskräften, die eingeschränkten Sichtweisen wieder zu lockern und freies Denken sowie eigenverantwortliches Handeln zu ermöglichen. Ein hartes Stück Arbeit, wie jeder weiß, der bisher damit experimentiert hat.
Monika Naimer, begeisterte Anhängerin, Schülerin und Bewahrerin des Erbes von Vera F. Birkenbihl, gründete mit ihr gemeinsam 2008 die „Naimer & Team – Brainmanagement Akademie“. Sie kombinierte die Birkenbihl-Methoden (darunter die legendären Nichtlernen-Lern-Methoden, wie ABC-Listen oder KAWAs*) perfekt mit Methoden wie Scrum oder Design Thinking und vermittelt diese Anwendung über Lehrgänge in ihrer Akademie.
Birkenbihls Methoden verführen selbst wenig kreative Menschen zur Lust am Denken, Kniffeln und Erfinden. Sie öffnen den Kopf, heben kreatives Potential und binden es in einen lösungsorientierten Arbeitsprozess ein, der letztlich wieder absolut strukturiert ist. Damit kommen alle auf ihre Kosten. Insofern ist die Frage nicht: Warum passen die Methoden von Vera F. Birkenbihl so gut in die moderne Arbeitswelt, sondern vielmehr: Warum arbeiten bisher nur wenige mit dieser wunderbaren Kombination am Erfolg des eigenen Unternehmens?
* ABC-Liste: Sie haben ein Thema. Sie notieren alle Buchstaben des ABC auf dem linken Rand eines leeren Blattes von oben nach unten. Sie stellen Ihren Wecker auf 90 sec. Nun schreiben Sie hinter jeden Buchstaben eine Assoziation, die mit dem Thema zu tun hat. Die Reihenfolge ist ganz egal – einfach so, wie die Gedanken kommen.
* KAWA: Wort-Denk-Assoziationen: Sie haben einen Begriff. Sie schreiben ihn in großen Buchstaben auf ein leeres Blatt. Zu jedem Buchstaben notieren Sie die Assoziationen, die Sie in Bezug auf den Begriff haben. Sie können diese Assoziationen auch mit kleinen Bildern versehen, dann haben Sie ein KAGA.
Buchtipp: „Trotzdem Lehren“ von Vera Birkenbihl
Homepage: www.brainmanagement-akademie.com
„Der Mensch braucht Herausforderungen. Sie dienen seiner Gesundheit.“ C. G. Jung
Warum fällt es uns so schwer, ja zu Veränderungen zu sagen? Warum halten wir so lange wie möglich am Alten fest, selbst wenn es uns nicht gefällt oder gut tut? Was passiert eigentlich bei Veränderungsprozessen? Warum ist es dabei so wichtig, gut zu kommunizieren?
Unser Leben ist voll von Veränderungen, im Kleinen wie im Großen. Würden wir uns weniger dagegen wehren, hätten wir sehr viel mehr Freude daran, Neues zu lernen, Entwicklungen mitzugehen. Stattdessen haben wir Angst davor, dass sich etwas verändert. Gleichzeitig erfahren wir in unserem Umfeld und an uns selbst: Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, kann sich jeder Mensch in jedem Alter verändern.
ENERGIE SPAREN ALS NATÜRLICHE REAKTION
Neues zu lernen, ein anderes Verhalten zu erarbeiten, Routinen zu verlassen, schickt uns raus aus der Komfortzone. Und das vermeiden wir, weil es uns Energie kostet. Muss es trotzdem sein, z. B. weil der Chef eine neue Software einführt, brauchen wir Zeit und eine gute Kommunikation, um uns mit der neuen Arbeitsweise anzufreunden. Viel später erst kommt dann die Einsicht, dass die Veränderung gut und wichtig war.
BEDÜRFNISSE BERÜCKSICHTIGEN
Alles, was ich noch nicht kenne, verursacht Angst. Wenn wir unsere Komfortzone verlassen müssen, bekommen wir automatisch Angst. Wissen wir vielleicht, was „da draußen“ auf uns wartet? Die Angst ist gut und richtig, denn es könnte sein, dass wichtige Bedürfnisse nach der Veränderung nicht mehr befriedigt werden. Solche sind z. B.: Lustgewinn oder Unlustvermeidung, Ordnung und Sicherheit, Klarheit und Konsistenz, Bindung und Zugehörigkeit, Selbstwirksamkeit und Gestaltungsmöglichkeiten.
All das ist für uns wichtig. Wenn ich es als Unternehmer weiß, kann ich durch gute und häufige Kommunikation den Prozess so begleiten, dass die Mitarbeiter ihre Grundbedürfnisse nicht in Gefahr sehen. Ich kann auf die verschiedenen Menschentypen eingehen. Ein Skeptiker ist nicht verloren, braucht aber mehr Anstoß als ein Befürworter oder Unterstützer. Viel Kraft in die – hoffentlich wenigen – Kritiker zu investieren, kann ergebnislos sein. Sie folgen den anderen, wenn diese den Prozess mitgehen. Ihre Einwände verstummen, wenn sie sehen, was passiert.
DIE CHANGE-KURVE
Wie in vielen theoretischen Abhandlungen über Change zu lesen ist, durchlaufen die Mitarbeiter in solchen Prozessen verschiedene
Schritte: Nach der Negation (Hoffentlich ist es nur ein Gerücht…) kommt die Trauer (Gewohntes wird mir weggenommen…) bis ich mich langsam für das Neue öffne, es in meinen Alltag integriere und
mit immer mehr Übung sehe, dass es doch gar nicht so schwer ist, wie ich anfangs dachte. Wenn wir wissen, in welchem Teilprozess der Kurve die Mitarbeiter gerade stecken, können wir sie mit guter
Kommunikation genau dort abholen, ihnen Sicherheit und Unterstützung bieten. Es bringt wenig, diese Teilprozesse überspringen zu wollen. Es ist nachgewiesen, dass sie überall stattfinden.
So geht es auch: Neulich hörte ich einen Vortrag über ein Unternehmen, dass sich in kürzester Zeit im gesamten Büro von jeglichem Papier befreit hatte. Eines Tages wurde – wiewohl ohne gesonderte Kommunikation – der letzte Drucker einfach hinausgetragen. Die Mitarbeiter, allesamt junge Menschen, gewöhnten sich schnell daran, dass es ab sofort nirgends mehr Ausdrucke, Post Its oder Stifte gab. Das Fehlen anderer Möglichkeiten kann also ebenfalls eine Strategie sein. Und: Einmal abgesehen von einigen rechtlichen Schreiben und der Kreditkarte von der Bank lässt sich das papierlose Büro heute schon leben. Ich war erstaunt.
IM TAB-UNTERNEHMERBOARD ERFAHRUNGEN (EIN-)SAMMELN
Als Mitglied eines TAB-Unternehmerboards haben Sie die Chance, sich in jedem Prozess Ihrer Veränderung mit erfahrenen Unternehmern zu beraten, Schwierigkeiten zu besprechen, Entscheidungen zu hinterfragen. Unser moderierter, kluger und vertraulicher Erfahrungsaustausch kann in solchen Veränderungssituationen eine riesige Unterstützung sein. Kreativität und Intelligenz eines „professionellen Freundeskreises“ werden Sie schnell begeistern.